Beckenboden To Go – Folge 78: Beckenboden und Mindset

 

Wie bist du auf die Idee gekommen, Beckenboden und Mindset zu verknüpfen?

Als ich noch im orthopädischen/traumatologischen Bereich gearbeitet habe, hatte ich bereits den Eindruck, dass wir sehr auf die Strukturebene festgelegt sind. Damals habe ich mir allerdings schon gedacht, dass da so viel mehr eine Rolle spielt, weil natürlich das Umfeld und alles andere was uns beeinflusst auch sehr wichtig ist. NLP habe ich im Rahmen meiner Ernährungsfortbildung kennengelernt, weil es mir wichtig ist, meine Therapie möglichst ganzheitlich zu gestalten. Der Coaching-Anteil in dieser Fortbildung wurde von einem Coach geleitet, der NLP Trainer ist und damals war ich total begeistert davon. Man holt den/die Patient*in wirklich da ab, wo er/sie steht und versucht dann gemeinsam etwas zu entwickeln. Letztes Jahr habe ich mich dann entschieden den Practitioner zu machen, weil mich das nicht mehr losgelassen hat. Diese einjährige Ausbildung hat auch mich selbst total verändert, weil NLP ist eigentlich nicht nur eine Technik, die ich anwende, sondern eine Lebenseinstellung. In der Therapie funktioniert das total gut, weil der/die Patient*in selber nach Lösungen suchen muss und nicht in eine beobachtende Rolle geraten kann. 

 

Was bedeutet für dich Mindset?

Das finde ich tatsächlich auch gar nicht so leicht. Generell geht darum, dass ich meine gedankliche Einstellung anpassen kann. Es wird allerdings sehr inflationär angewendet und oft so verkauft, dass ich von heute auf morgen mein ganzes Leben umkrempel und dann wird alles besser. Ich verstehe das eher so, dass ich an einer Stelle anfange und dann gehen oft ganz viele andere Teile mit. Es geht eben darum nachhaltig Sachen zu verändern. 

 

Wofür steht NLP?

Das N steht für Neuro und es geht darum, was wir über unsere Sinne in unser Nervensystem aufnehmen. Das L steht für Linguistisches, wie ich nach außen kommuniziere und auch wie ich mit mir selbst kommuniziere. Das P steht für Programmieren, dabei geht es um Glaubenssätze, die ich oft schon als Kind gelernt habe und die dann Spuren bzw. Programme in uns hinterlassen haben. Diese Programme können wir eben auch ändern. NLP nennt man heute auch „nachhaltige, liebevolle Persönlichkeitsentwicklung“. 

 

Du hast ja eben schon mal erzählt, dass ich immer auch andere Probleme mit in die Praxis bringe z.B. meine laufende Scheidung bei Knieschmerzen. Kannst du nochmal genauer den Zusammenhang erklären?

Gerade bei Schmerzpatient*innen ist der Zusammenhang sehr offensichtlich, weil Stress sich nicht nur psychisch, sondern auf unsere Strukturen auswirkt. Wir sind dann sehr im Sympathikus und das macht natürlich was mit den Strukturen, zum Beispiel angespannte Becken- oder Kiefermuskulatur. Die Annahme im NLP ist dann, dass jedes Verhalten eine positive Absicht hat. Ich frage zum Beispiel eine Patient*in mit hoher Beckenbodenspannung, was genau die positive Absicht ihres Körpers ist; will er dich vor irgendwas beschützen, willst du die Kontrolle über etwas behalten? Ein Beispiel einer Patientin mit hoher Spannung im Beckenboden ist, dass sie sagte, dass die positive Absicht ihres Beckenbodens sei, dass sie aufgrund von sehr häufigen Blasenentzündungen nicht wollte, dass der Beckenboden mit der kalten Sitzfläche in Berührung kommt und sie so dauerhaft anspannt. Im nächsten Schritt lasse ich die Patientin überlegen, was in dieser Situation helfen könnte. Im NLP ist eine ganz wichtige Grundannahme, dass der/die Patient*in die Lösung in sich selber trägt. Das ist natürlich nicht für alle so einfach, aber wenn man mal wirklich drüber nachdenkt, gibt es oft etwas, was das Problem ausgelöst hat, also das Problem hat seinen Grund. Gerade bei Schmerzsyndromen im Becken steckt oft etwas anderes dahinter. Bei der Behandlung sind wir auch sehr lösungsorientiert, wir versuchen Ressourcen zu finden, um das Problem positiv beeinflussen zu können. Ich frage dann 

 

irgendwann, ob das Problem am Steuer sitzt und das Leben beeinflusst oder ob die Patient*innen am Steuer sitzen und das Problem nur mit fährt. NLP spricht sehr viel über Bilder. 

 

Bei welchen Patient*innen und Beschwerdebildern nutzt du das NLP?

Eigentlich ist das für alle gut! Ich schaue dann was für Ressourcen die Patient*innen noch brauchen, um mit dem Problem im Alltag besser umgehen zu können – also wie bekomme ich die Kontrolle über ein Leben zurück? Ich hatte auch mal eine Patientin, die hatte nach einer Bauch-OP ganz schwere Abszesse im Bauchraum entwickelt und hatte dann durch einen sehr verkrampften Schließmuskel starke Probleme beim Stuhl lassen. Da haben wir auch wieder Bilder entwickelt; im NLP nennt man das Energiekreis, in den sie dann das reingetan hat, was sie mit Ruhe und Entspannung verbindet und das hat sie dann genutzt für den Toilettengang und das hat super funktioniert. Sie ist jetzt schmerzfrei und ist davor seit anderthalb Jahren mit den Beschwerden rumgelaufen. Ich arbeite natürlich auch an der Struktur, aber eben auch an der Einstellung. Die Patient*innen bekommen Hinweise zur Selbstwirksamkeit, denn Selbstwirksamkeit ist das wichtigste für eine nachhaltige Therapie. Ich höre auch manchmal von Patient*innen, das Ärztin*innen ihnen sagen, dass sie nie wieder Sport machen können. Da bin ich inzwischen sehr verhalten, weil Patient*innen uns oft Erstaunliches zeigen. Natürlich gibt es auch Grenzen. Wenn es sich jetzt um ein richtiges Trauma oder andere psychische Erkrankungen handelt, dann verweise ich auch an Psycholog*innen, weil dafür sind wir nicht ausgebildet. Aber grundsätzlich kann man NLP bei wirklich allem verwenden. 

 

Beim Thema Drangblase kann es hilfreich sein sich mit seiner Blase in Verbindung zu setzen. Du hast wahrscheinlich schon mehrere Blasen sprechen lassen, was sagen die denn so?

Was relativ oft kommt, ist das Thema Kontrolle. Es geht auch oft um Überforderung und um sich selber kümmern, weil gerade Frauen das Gefühl haben allem gerecht werden zu müssen und gar kein Raum für sich selber haben. Und auch bei Männern ist das Thema „Ich muss alles festhalten, ich muss alles unter Kontrolle haben, sehr groß.“ Da sagt die Blase dann auch im Gespräch: „Ich würde gerne mal loslassen“. Das ist so vielschichtig. 

 

Was mache ich denn mit dem Wissen, dass hinter meiner Drangblase ein Kontroll-Thema steckt?

Da wäre die Frage, was würde dir helfen, damit du Kontrolle abgeben kannst. Das kann dann zum Beispiel der Mann sei, der mehr Aufgabe übernimmt oder so. Und was brauchst du für eine Ressource in dir selbst, um mehr Vertrauen zu haben? Ich geben Patient*innen dann verschiedene Wortbeispiele, ich sage zum Beispiel: „Es würde mir helfen, wenn ich mehr Vertrauen in mich habe“. Das löst vielleicht ein warmes Gefühl in der Patient*in aus und dann könnte man so einen Energiekreis wie vorhin schon angesprochen etabliert, um sich in Situationen zu regulieren. Dann guckt man sich vielleicht nochmal die Glaubenssätze an oder Situationen im Alltag, die Kontrollverlust bedeuten. Oder man schaut wo die Ressourcen sind, um wieder in deine Kraft zu kommen, aber das ist ganz individuell. 

 

Möchtest du den Hörer*innen noch etwas mitgeben?

Ich möchte den Fachpersonen noch mitgeben, dass man versuchen sollte über die Strukturebene hinauszugehen und auch sensibel ist mit dem, was man als Wording in der Therapie verwendet. Es geht ganz viel um Selbstwirksamkeit in der Therapie. Ein ganz gutes Bild ist da ein gefüllter Wasserkrug, der einen Tag darstellt und das auf die Woche hochgerechnet ist sehr viel Wasser, was wir als Therapeutinnen machen, ist ein Teelöffel davon. Ich empfehle gemeinsam mit den Patient*innen zu gucken, was für sie das Richtige ist. Der/die Patient*in ist Fachperson für seinen/ihren Alltag und nur er/sie kann wirklich entscheiden, was funktioniert und da müssen wir dann als Therapeut*innen auch vertrauen.

 


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