Beckenboden To Go – Folge 42: Zyklus und Ernährung

Heute begrüßt das Bewegungszentrum Norderstedt im Podcast „Beckenboden to go“ Andrea Jäggy. Andrea ist Teil von einzigartICH und war mit Ann-Louise schon mal im Podcast zum Thema Beckenboden und Sport. Falls du den noch nicht gehört hast, kannst du das hier nachholen. 

 

Heute sprechen wir zu zweit über das Thema Zyklus, zyklisch trainieren und zyklisch ernähren.

 

Warum ist dir dieses Thema eine Herzensangelegenheit?

Das geht bei mir 10 Jahre zurück, ich habe damals noch mit der Pille verhütet und immer kurz bevor ich meine Tage bekommen habe, hatte ich ziemlich heftig Migräne. Und mein Arzt meint dann, dass ich mal die Hormone weglassen soll und es war wirklich so, dass die Migräne mit den Hormonen zusammen wegging. Damit war das Thema für mich erledigt und nach den Schwangerschaften und Stillzeiten habe ich dann gemerkt, dass mein Hormonhaushalt nicht so ist, wie er sein sollte. Ich hatte immer wieder starke Kopfschmerzen und habe dann mal angefangen mich mit dem Thema Hormone und Zyklus auseinanderzusetzen, auch welche Rolle dabei die Ernährung spielt. Ich habe dann auch eine vierwöchige Darmsanierung gemacht, mich basisch ernährt und auf Zucker verzichtet und seitdem sind die Kopfschmerzen weg. Deswegen wurde dieses Thema meine nächste Herzensangelegenheit, denn ich glaube viele Frauen kennen ihren Zyklus wenig bis gar nicht und sich damit auseinanderzusetzen macht in meinen Augen auch vieles im Alltag leichter.

 

Magst du uns einen ganz kurzen Einblick geben, was der Zyklus ist und wie dieser stattfindet?

Ich halte mich kurz, denn es gibt ja da von dir bereits eine ganz tolle Folge. Die kannst du hier nachhören. Ganz vereinfacht gesagt startet der Zyklus mit dem ersten Tag der Menstruation, in vielen Büchern wird es nach Jahreszeiten eingeteilt und ich finde dieses Bild auch ganz passend. Die Menstruation ist der Winter, wir brauchen mehr Ruhe, wir ziehen uns eher zurück und ich finde das sehr passend. Diese Phase dauert etwa 6 Tage. Danach kommen wir in den Frühling, das ist die Zeit in dem der Folikel reift, wir sind gut drauf, es geht uns gut und diese Zeit dauert bis zu der Zeit vom Eisprung, also etwa 6 Tage. Die Zeit um den Eisprung rum wird als Sommer bezeichnet, denn auch da fühlen wir uns wohl und es geht uns gut, wir fühlen uns sexy. Dann findet der Eisprung statt und danach schlägt es dann ziemlich schnell in die längste Phase, die Herbstphase. Und auch ziemlich oft ist das dann die Zeit in der wir schlecht gelaunt sind und uns alles nervt. Diese Phase dauert dann bis zur nächsten Menstruation. Wichtig in der Zeit ist, das bis zum Eisprung unser Östrogenlevel steigt und danach dann abfällt. Wichtig beim zyklischen Training ist hier also, dass das Östrogen unsere Gelenke schütz, als Verletzungsrisiken vorbeugt und unseren Stoffwechsel unterstützt. Nach dem Eisprung steigt dann das Progesteron und fällt dann bis zur Menstruation wieder ab. Da ist dann ein bisschen das Problem, dass es den Proteinabbau im Körper fördert. Deswegen ist es auch wichtig das im zyklischen Training entsprechend zu berücksichtigen. Also die verschiedenen Phasen haben Einfluss auf unser Training, unseren Beckenboden und auch die Psyche. Und die Ernährung rundet das zum Schluss ab.

 

Du hast also ungefähr 6 Tage Winter, 6 Tage Frühling, aber das kann von Person zu Person immer etwas schwanken. Ein Zyklus kann zwischen 26 und 36 Tage dauern. Eine Frau, die nur 26 Tage hat, da sind die einzelnen Abschnitte etwas kürzer. Jede Frau sollte da für sich am besten ein paar Monate ihren Zyklus tracken und dann spürt man irgendwann auch in welcher Phase man sich eigentlich gerade befindet. 

 

Wie trackst du deinen Zyklus? Machst du das mit Zettel und Stift oder hast du da eine App, die du uns empfehlen kannst?

Ich arbeite mit einer App, aber da gibt’s ganz viele verschiedene. Die, die ich schon lange nutze, nennt sich Lilly. Aber da gibt’s ganz viele auf dem Markt. Für die, die es einfacher wollen da gibt’s ganz viele Zyklustagebücher aber auch ganz viele Vorlagen im Internet. Auch hier denke ich, dass jede Frau für sich das finden muss, was praktisch in ihren Alltag passt. 

 

Mittlerweile bin ich mit dem tracken auch gar nicht mehr so detailliert, weil ich das schon so lange mache, dass ich immer sehr gut weiß, wo ich gerade stehe. 

 

Du hast gesagt, dass es Sinn macht zyklisch zu trainieren, kannst du das nochmal genauer ausführen?

Ich starte mal mit den Jahreszeiten.

Im Winter ist unser Körper von der Hormonkonstellation auf Ruhe eingestellt, die meisten Frauen spüren auch gegen Ende der Herbstphase, dass der Beckenboden nicht mehr so hält und schwächer wird, wir sind da von den Hormonen in einer ähnlichen Phase wie in der Schwangerschaft und Stillzeit. Das heißt die Bänder werden weicher und hier ist auch das Verletzungsrisiko am größten. Aber auch hier ist es wieder unterschiedlich. Ich habe hier schon mit Frauen zusammengearbeitet, die hatten das eher vor der Menstruation und waren ab dem ersten Tag der Menstruation wieder voller Energie aber tendenziell sind die ersten paar Tage der Menstruation eher für Ruhe und leichte Bewegungen ausgelegt.

 

Im Frühling/Sommer sind wir wirklich im hoch, da ist unser Körper auch aufgrund des Östrogens super dafür ausgelegt Kraft und Muskeln aufzubauen. Also hier kann man High-Intensity Workouts machen und wir sind im Leistungshoch.

 

Dann um die Zeit vom Eisprung muss man etwas aufpassen, dann kommt dann der Wechsel der Hormone und da sind dann die Bänder und der Beckenboden eher etwas schwächer und von daher sollte man es auch hier ruhiger angehen. 

 

Und mit dem Wechsel in den Herbst, bzw. die Luteal- oder Endphase sollte man eher Leistungserhalten trainieren. Also kein Kraftaufbau und kein Training um die Ausdauer zu stärken. Also das, was man in der ersten Hälfte trainiert hat weiter trainieren aber nicht steigern. Und dann erst in der nächsten Hochphase wieder steigern. Denn durch das Progesteron wird proteinabbauend und daher trainieren wir also eher den Muskelkater. Ich bekomme das auch bei mir in den Kursen immer mit.

 

Du hast es schon ein bisschen einfließen lassen, dass je nach Jahreszeit auch die Psyche anders sein kann, magst du uns da nochmal in den vier Jahreszeiten mitnehmen?

Wenn ich mir überlege, wie die meisten Menschen in den jeweiligen Jahreszeiten drauf sind, dann passt das auch ganz gut zur Psyche. 

 

Wir sind zyklisch und wir sind hormongesteuert. Im Winter brauchen wir wirklich die Ruhe, wir ziehen uns eher zurück, dann im Frühling und Sommer geht es uns gut, wir fühlen uns gut, haben Kraft, unser Körper ist auf Nachwuchs eingestellt, das heißt wir haben Lust, Lust uns unter Leute zu begeben, wir haben Lust auf unseren Partner, denn unser Körper bereitet sich eigentlich auf eine Schwangerschaft vor. Und dann ist der Eisprung vorbei und dann kommt der dolle Abfall der Hormone und dementsprechend ändern sich unsere Hormone, das ist auch die Phase in der viele Partner Streit haben, denn die Frauen sind schlecht drauf, stehen morgens auf und wissen nicht, warum sie schlecht drauf sind, manche fühlen sich sogar ein bisschen depressiv. Und wenn man dann hier nochmal zum Sport zurück geht hat das natürlich auch einen großen Einfluss auf unsere Leistung, also wenn ich dann trainiere und keinen Leistungseffekt sehe, dann bin ich natürlich noch frustrierter. Also sollte man hier auch etwas machen, was man gern macht, weil hier die Motivation sowieso schon nicht so groß ist. Sich hier für etwas zu motivieren, was mir sowieso nicht so leicht fällt ist einfach sehr schwer.

 

Ich finde das immer so spannend, weil sich viele Menschen in dieser Herbstphase selber nicht ausstehen können, die halten das nicht so gut aus, traurig aufzuwachen oder Stimmungsschwankungen zu haben, man kommt auf die Palme wegen nichts und ich habe immer überlegt, ob diese Unberechenbarkeit dieser Phase damit kollidiert, dass Menschen gern denken sie haben eine Kontrolle über ihr Leben und haben alles im Griff. Viele wanken dann in dieser Phase und aus psychotherapeutischen Sicht finde ich es ganz ratsam und spannend sich mit dieser Phase auseinanderzusetzen und eben nicht gegen sich selber zu kämpfen. Sondern zu schauen, was kann ich für mich in dieser Phase Gutes tun.

 

Ich habe auch gerade ein spannendes Buch gelesen, das empfiehlt stressige oder aufreibende Termine in die erste Phase legt und in der schlechteren Phase sich dann bewusst mehr Zeit für Me-Time nimmt. Wir sind so sehr von außen kontrolliert und bestimmt, um in der Gesellschaft zu funktionieren. Und eigentlich funktioniert das so nicht und wenn dir das wissen, dass wir in dieser Woche eben nicht so gut drauf sind, dass man dann eben kein anstrengendes Treffen mit 5 Freundinnen und 10 Kindern haben. Oder auch wenn ich weiß, dass ich mit meinem Mann eine anstrengende Diskussion führen muss, dass das eben auch nicht in die schlechtere Zeit gelegt wird, sondern um ein paar Tage verschoben wird, denn am Ende bringt es nichts und man hat Streit für nichts. Das Zykluswissen bringt in so viele Facetten einem einfach viel mehr Verständnis. Zum Teil gibt’s dann auch noch Dysbalancen, die das Ganze dann verstärken. Aber wir können, wenn wir das Wissen haben, dieses sehr sehr gut für uns nutzen. Und gerade eine hormonelle Dysbalance können wir noch verstärken, wenn wir von uns erwarten, dass wir trotz allem linear, gleichbleibend Leistung zu erbringen. Der ganze Stress hat einen Einfluss auf unseren Körper und so kann es sein, dass der Herbst noch viel dunkler sein kann. Ich habe letztens auch von einem tollen Bild gelesen: Wir haben einen gewissen Stapel Holz vor unserem Haus und dieser muss für den gesamten Zyklus reichen, also wenn ich mein ganzes Holz im Frühling und Sommer verbrenne, dann ist im Herbst und Winter nichts mehr da. Wenn wir also versuchen das etwas mehr auszugleichen und uns auch Auszeiten nehmen, wenn es uns gut geht und nicht auf Vollgas laufen, dann kommen wir besser durch die Zeiten. Ich selber hatte das im Juni, ich war nur am Rennen und ausgezahlt hat sich das mit einer richtig starken Migräne, ich konnte kaum schlafen und das war mal wieder eine Lehre für mich, auch wenn ich‘s eigentlich von vornherein schon besser wusste. 

 

Wir müssen einfach lernen wieder bisschen mehr auf uns zu hören, was wir brauchen und was uns guttut. 

 

Du hast schon verraten, dass wir mit der Ernährung auch einiges tun können, um den Zyklus zu begleiten. Erzähl mal.

Es gibt da auch ein paar verschiedene Punkte, die dann wichtig sind. Wenn wir uns das mal anschauen im Frühling und Sommer Stichwort Muskelaufbau, dann ist es wichtig, dass wir viele und auch gute Proteine zu uns nehmen, dass sich der Muskel eben auch aufbauen kann. In der Herbstphase, wo der Muskel dann wieder abgebaut wird, bleiben Proteine auch wichtig. Man weiß mittlerweile, dass man in der letzten Woche vor der Menstruation einen höheren Energiebedarf haben, dass wir mehr gute Kohlehydrate essen müssen und das könne zum Teil bis 300 kcal mehr am Tag sein. Ich selber habe das ausprobiert und kann sagen, dass man so auch wirklich Heißhungerattacken vorbeugen kann. Ich glaube, wenn wir da drauf achten und uns etwas besser und gesünder ernähren, also mit hochwertigen Kohlehydraten und nicht mit Weizen und Zucker, dann können wir auch die Heißhungerattacken umgehen. Im Winter ist es wichtig, dass wir eisenreich essen, weil wir halt Blut verlieren. Auch Zink und Omega-3 sind wichtig, weil unser Immunsystem in der Zeit etwas runterfährt. Im Frühling und Sommer dann wie schon gesagt gute Proteine, gute Ballaststoffe, viel Gemüse und Vollkorn, also grundsätzlich etwas hochwertiger und gesünder. In dieser Phase ist es auch wichtig, dass wir gute Bitterstoffe zu uns nehme, das ist leider etwas untergegangen bei unserer heutigen Ernährung, denn das entlastet die Leber und man weiß mittlerweile, dass unsere Hormone über die Leber ausgeschieden werden und so unterstützen wir, dass unsere Hormone über die Leber aus dem Körper transportiert werden und dadurch balancieren wir also auch den Hormonhaushalt aus. Und im Winter dann auch die ganzen Lebensmittel, die Entzündungen unterstützen, wie tierische Fette, Alkohol, Weißmehl und künstlichen Zucker reduzieren, denn auch das reduziert die PMS Symptome. Und meist wird so die Menstruation auch viel pflegeleichter.

 

Nochmal insgesamt zusammengefast:

Menstruation (Winter): Ich gönne mir Ruhe, vorm Sport her eher einen Spaziergang oder YinYoga. In meiner Ernährung achte ich auf eisenreich, gutes Zink. Linsen und Haferflocken sind immer gut und toll. 

 

Frühling: Ich spüre den Hormonaufbau, ich fühle mich gut und kraftvoll und kann in höhere Level einsteigen was den Sport betrifft. Ich achte bei der Ernährung auf Bitterstoffe und gute Proteine. 

 

Sommer: Hier bin ich achtsam, weil der Hormonswitch stattfindet. Von der Leistung her bin ich eher im Hoch. Ernährungstechnisch orientiere ich mich hier auch am Frühling.

 

Herbst: Moderateres Training, ich gucke was mir guttut. Bei der Ernährung ein höherer Energiebedarf, also hier mehr gute, hochwertige Kohlenhydrate zu sich nehmen. Auch auf Magnesium, Omega-3 und Vitamin C achten, denn hier fährt das Immunsystem schon etwas runter. Viel raus an die frische Luft, damit das Vitamin-D gefördert wird. 

 

Hast du noch ein Tipp, wenn ich jetzt zum Beispiel meinen Trainer im Gym anspreche, dass ich zyklisch trainieren möchte, sind die darauf vorbereitet?

Nein, in der Regel nicht. Ich weiß es gibt mittlerweile ein paar Frauenfußballmannschaften, die damit begonnen haben, aber ich bezweifle, dass da ein Fitnesstrainer Bescheid weiß. Es kommt langsam, wir sind auch schon dabei dahingehend entsprechende Weiterbildung anzubieten, weil wir auch hier schon ein paar Mal von Personal Trainern angesprochen wurden. Aber meist sind Personal Trainer ja auch männlich und die betrifft das dann meist auch gar nicht. Ich denke es kommt, aber es braucht einfach noch Zeit. 

 

Wer mehr wissen möchte, darf sich auch jederzeit gern bei mir melden. Du erreichst mich hier:

Instagram: https://www.instagram.com/einzigartich_ch/?hl=de

Website: http://einzigartich.ch

 

Was möchtest du abschließend noch sagen?

Ich empfehle es jedem zyklischen Wesen seinen Zyklus mal genau anzuschauen und sich dadurch selber besser verstehen zu lernen, denn dann kann man damit auch einfach besser umgehen, da das Wissen so viel mehr Verständnis für sein Körper und sein Handeln bringt und dadurch können sich gewissen Symptome lindern.


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