Beckenboden To Go – Folge 17: Trocken werden

Heute begrüßt das Bewegungszentrum Norderstedt im Podcast „Beckenboden to go“ Laura Knobloch. Laura Knobloch ist Physiotherapeutin, spezialisiert auf

Beckengesundheit und Mama von zwei Kindern.  Unser heutiges Thema ist das Trocken werden.

 

Was bedeutet überhaupt Trocken werden und was muss bei einem Kind physiologisch da sein, bevor wir überhaupt übers Trocken werden nachdenken können?

Trocken werden bedeutet im Endeffekt, dass das Kind selbstbestimmt darüber entscheidet, wo es sich wann entleert. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das

Kind erstmal versteht, was da überhaupt passiert. Gerade bei Babys sagt man z.B., dass sie keine Kontrolle über den Abgang von Urin oder Kot haben, aber sie merken natürlich, dass da im Körper etwas passiert. Diese Prozesse müssen erstmal stattfinden, wahrgenommen werden und müssen auch reifen.  Dann benötigt das Kind noch eine gute Beckenbodenkontrolle, damit das Kind die Kontinenz sicher kann (Anspannung) und dann auch gezielt zu entleeren (Entspannung).

 

Woran könnte ich merken, dass mein Kind Lust hat aufs Töpfchen zu gehen?

Man kann und sollte die Selbstbestimmtheit bei Kindern fördern. Dies kann man z.B. in dem man auf die Zeichen achtet, die uns unsere Kinder geben. Kleine Babys zum Beispiel geben uns schon in Form von Grunzen oder einem Schrei einen Hinweis darauf, dass sie sich entleeren. Wenn man dies dann als Bezugsperson wahrgenommen hat, dann kann man diese Zeichen nutzen und das Kind an einen geeigneten Ort zur Entleerung bringen. Natürlich verändern sich die Signale der Kinder im Laufe der Zeit auch etwas. Mit etwa 1 ½ - 2 Jahren fangen Kinder oft auch an sich für die große Entleerung z.B. unter einem Tisch zu verstecken. Es kann aber auch einfach die komplette Stille oder ein bestimmter Gesichtsausdruck als Signal auftreten. Es gibt auch Kinder, die es mit Worten ausdrücken, dass sie keine Windel

mehr tragen möchten. Auf diese Zeichen muss man achten und genau dort kann man einsteigen, in dem man versucht dem Kind Worte zu geben. Beispielsweise „Du versteckst dich hier oder bist so ruhig, kann es sein, dass du Pipi machen musst?“ Das muss man mehrfach machen, aber das ist es, was den Kindern signalisiert, dass sie dieses Gefühl mit dem Toilettengang verbinden und somit ihnen auf die Sprünge zu helfen, den nächsten Schritt zu machen.

 

Macht es einen Unterschied, wie ich als Erwachsener mit der vollen Windel umgehe?

Auf jeden Fall. Die Art und Weise, wie wir auch mit der Pflege in diesem Bereich umgehen, also unsere Gestik, Mimik und allgemeine Kommunikation ist wichtig, denn die Kinder spiegeln uns. Kinder wollen so sein wie wir. Die Art und Weise, wie wir mit dem Thema umgehen, spiegeln sie also ebenfalls. Also je entspannter wir mit dem Thema umgehen, desto entspannter sind auch unsere Kinder. Es ist auch wichtig hin und wieder mal beim Toilettengang die Tür aufzulassen, auch wenn es gerade als Mutter schön ist, mal für sich zu sein, muss man aber die Kinder dennoch auch daran heranführen. Ich finde es auch wichtig, dass man die Dinge konkret benennt. Es kommen nun mal keine Blütenblätter aus uns raus und das darf und sollte man auch beim Namen nennen. Kinder sollen auch erfahren, dass ein großes

Geschäft unangenehm riechen kann. 

 

Wir haben eine große Vorbildfunktion. Wenn sich etwas nicht so entwickelt, wie wir es uns wünschen oder gedacht haben, macht es dann auch Sinn erstmal sich selbst zu hinterfragen?

Ja absolut, denn oft geben wir Dinge so weiter, wie wir sie gelernt haben und das muss nicht unbedingt richtig sein. Die Art heranzugehen, in dem man eben schaut, wie ich es gelernt habe und unter welchen Bedingungen ich selber es gelernt habe, ist definitiv wichtig. Denn früher mussten Kinder häufig schneller Trocken werden und das hat sich mit der Zeit gewandelt. Heutzutage ist es normal, wenn ein Kind im Kindergarten noch nicht trocken ist. Heute wissen wir, dass ein Kind mit 3 Jahren noch nicht komplett trocken sein kann und auch nicht muss. Natürlich gibt es das, aber das ist die Ausnahme und nicht die Regel. Damit sollte man sich also nicht vergleichen und vor allem auch den Druck rausnehmen und dem Kind die Zeit lassen, die es braucht. Setzt man das Kind unter Druck geht es eben auch nicht mehr um die Selbstbestimmung und das Selbst Fühlen.

 

Aber so ein bisschen mit Belohnung in Form von Gummibärchen oder ähnliches wäre doch sicher okay, oder?

Naja.. Belohnung und Bestrafung ist auch immer wieder ein Thema. Also jedes Mal, wenn der Toilettengang geklappt hat einen Sticker oder ein Gummibärchen zu geben, kann man sicherlich machen, auch ich habe das probiert und mich dann später eines Besseren Belesen.  Man sollte sich auch einfach immer selber hinterfragen, was man seinem Kind damit signalisiert. Also auch weiter gefasst: Immer, wenn du das gemacht hast, bekommst du eine Belohnung. Wenn es nicht geklappt hat, bekommst du keines. Das gleicht wiederum einer Bestrafung (zumindest in Augen des Kindes). Und genau damit signalisiert man eben, dass wir eine Leistungsgesellschaft sind. Nur wer das macht und da auch etwas Ordentliches bei rumkommt, wird belohnt. Und ich persönlich habe da keine Lust mehr drauf und bin der Meinung, dass wir unsere Kinder zu Selbstbestimmung erziehen sollten. Mir wurde zum Beispiel auch schon von Fällen berichtet, wo Kinder gefühlt nur noch auf dem Topf saßen, damit sie eben diese Belohnung erhalten. Es ist also ein enormer Druck, den wir bei unseren Kindern dadurch ausüben, denn ich bestimme ja in dem Moment, wann das Kind seine Belohnung bekommt.

 

Du hast bereits angesprochen, dass es mittlerweile in Ordnung ist, das Kind mit Windel in die Krippe oder KITA zu bringen. Es ist ja allerdings ein Mehraufwand für die Erzieher*innen und ich habe gerade eine bestimmte Mama im Kopf, der gesagt wurde, sie solle sich doch mal was mit dem Kind überlegen. Was wäre eine gute Reaktion auf so etwas?

Das ist ein sehr spannendes Thema, weil Kinder ja nicht immer von den nächsten Bezugsperson betreut werden, sondern auch mal von Oma, Opa oder eben Erzieher*innen. Ich persönlich würde da in ganz klare Kommunikation gehen, unabhängig davon, ob es jetzt die Erzieher oder (Schwieger-)Eltern sind und genau das anbringen, was uns als Elternpaar wichtig ist. Beispielsweise: Wir wollen, dass unser Kind es selbständig lernt. Und dass wir genau das nicht schaffen, wenn wir ständig irgendwelche Ausnahmen schaffen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass es nach der Kommunikation immer gut geklappt hat und Eltern sich im Vorwege oft viel mehr Gedanken gemacht haben, als notwendig gewesen wäre. Klartext reden ist wichtig und wenn man sich darauf geeinigt hat, auf die Windel zu verzichten, dann muss das auch konsequent durchgezogen werden. Mal so, mal so verwirrt die Kinder nur unnötig.

 

Wer hat denn eigentlich den Stress, wenn man von der Erzieherin angesprochen wird? Das ist ja in erster Linie die Mama oder nicht? Die wiederum würde dem Kind dann Druck machen, damit sie nicht mehr angesprochen wird.

Ja genauso ist es. Es ist natürlich auch immer unterschiedlich und wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir ja gar nicht wissen, welchem Stress Kinder ggfs. in einer Fremdbetreuung ausgesetzt sind. Ob sie eventuell schon mitbekommen haben, welche Probleme es bei dem ein oder anderen Kind vielleicht gab und wie damit dann umgegangen wurde. Und es gibt einfach Kinder, die sind sehr sensibel, nehmen das auf und schämen sich dann eventuell. Wichtig ist hier auch einfach wieder zu gucken, wie viel Unterstützung braucht mein Kind hier, das ist sehr individuell. Wichtig ist einfach in so einer Situation zu gucken, wer hat eigentlich gerade das Problem und wer sollte es beseitigen? Das ist seltenst das Kind!

Wir müssen nicht alles so machen, wie wir es erlebt haben oder gesagt bekommen. Wir sollten alles so machen, wie es sich für uns und unser Kind gut anfühlt. Man kann nicht alles perfekt machen und auch bei uns wurde nicht alles perfekt gemacht und trotzdem stehen wir doch mit beiden Beinen fest im Leben.

 

Gibt es einen Unterschied zwischen Tag und Nacht beim Trocken werden?

Ja, den gibt es schon. Es ist natürlich tagsüber, wenn die Kinder wach sind, so, dass die Kinder eine ganz andere Kontrolle über den Körper haben als nachts. Es ist so, dass unser Körper nachts weniger Urin produziert, unabhängig vom Alter ist das aufgrund von Hormonen so geregelt. Natürlich kann sich das ändern, wenn wir zum Beispiel nachts auf einmal ganz viel trinken. Bei den Kindern ist es aber so, dass sie eben eine gewisse Reife erst durchleben müssen. Die Hemmung bzw. die Wahrung der Kontinenz ja auch unwillkürlich stattfindet (auch bei uns Erwachsenen). Auch Erwachsenen halten ja nicht nur ihre Kontinenz, weil sie sagen, sie können jetzt nicht auf Toilette, sondern auch unwillkürlich. Nachts kann also das Trocken werden etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, weil die Kinder eben nicht wach sind und somit nicht bewusst wahrnehmen können, ob sie auf Toilette müssen oder nicht. So kann es auch bei Babys der Fall sein, dass sie nachts unruhig werden, weil sie die Windel gewechselt bekommen müssen oder weil im Körper was drückt, was raus muss. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, können die Kinder dann wieder

ruhiger schlafen. Es ist ja auch so, dass Kinder – auch wenn sie eine Windel tragen – nicht dauerhaft pinkeln. Die Intervalle dazwischen werden natürlich von Zeit zu Zeit immer größer und wenn wir als Bezugsperson zum Beispiel merken, dass die Windel bereits die halbe Nacht trocken bleibt, dann können wir da schon mal anfangen die Windel

wegzulassen. Wichtig ist aber auch hierbei wieder das mit dem Kind zu kommunizieren.

 

Du hast gesagt, dass die Kinder mit den Ausscheidungen in Kontakt kommen sollen. Sollten sie dann auch die Ausscheidungen mal anfassen dürfen?

Ja auf jeden Fall. Wenn Kindern mit Windeln erzogen werden, dann merken sie aufgrund der Saugfähigkeit der heutigen Produkte kaum noch eine nasse Windel. Das ist beim Stuhl natürlich etwas anders, das merken sie in der Regel schon. Aber sie sehen das ja nicht. Das dürfen wir nicht vergessen. Denn wir als Erwachsene sind mit den Ausscheidungen beschäftigt, machen das sauber und wechseln die Windeln, aber die Kinder sehen das meist gar nicht. Und dann sollen sie auf einmal selbst dafür verantwortlich sein. Da kommt natürlich auch die Neugier auf und einige Kinder wollen es anfassen, weil sie es eben noch nicht kennen. Da sollte man eine gewisse Neugier auch einfach zu lassen, man kann ja schließlich die Hände danach waschen. Auch das ist wiederum ein Lernprozess der eben stattfinden muss.

 

Wie ist das, wenn das Pipi machen gut klappt, beim Stuhlgang aber eine Windel um sein muss?

Das ist relativ häufig, dass sich Kinder für den Stuhlgang nicht aufs Töpfchen setzen wollen. Ihr Leben lang haben sie eine Windel getragen und diese diente als ihre Sicherheit für den Stuhlgang. Manchmal haben Kinder da auch einfach Angst, dass ohne Windel zu machen. Emotional hat der Prozess des Stuhlgangs auch viel mit Loslassen und öffnen zu tun. Das auf einmal ganz anders zu machen als bisher, ist für viele nicht leicht.

 

Meine Tipps dazu sind:

- Das Kind daran zu gewöhnen es mit der Windel aufs Töpfchen zu setzen, um eine Sicherheit zu schaffen.

- Das Kind fragen, was es braucht, damit es sich wohlfühlt.

- Das Angebot machen das Töpfchen genau dort hinzustellen, wo sie es am Anfang gern haben möchten. Denn auch, wenn sie am Anfang bspw. nur unterm Tisch kacka machen können, gewöhnen sie sich das ja nicht komplett an, sondern lernen auch, dass es eben Räume mit Toiletten gibt und sie dann nur diese nutzen sollen.

 

Gibt es denn eine Altersgrenze, wo du sagen würdest, da sollte ein Kind Tag und Nacht trocken sein?

Man sagt so grundsätzlich bis zum Schuleintritt, also 6 – 7 Jahre. Solange kann dieser Prozess dauern. Damit sind ja auch andere Prozesse wie zum Beispiel das eigenständige An- und Ausziehen verbunden. Etwa 80% aller Schulkinder sind

tatsächlich trocken, also auch da gibt es noch 20%, die nicht vollständig trocken sind, wenn sie eingeschult werden.

Man darf nicht vergessen, dass das alles auch ein großes psychoemotionales Thema ist und gerade mit Schuleintritt passiert beim Kind nochmal ganz viel. Auch da kann es dann nochmal sein, dass bislang alles geklappt hat und es da nochmal zu einem Einsturz kommt. Man sollte also auch immer darauf achten, was das Kind eigentlich gerade durchlebt. Wenn es sich aber auf Dauer nicht bessert, sollte man nach einiger Zeit einen Arzt zu Rate ziehen, um zu schauen woher das Einnässen kommt. Liegt vielleicht etwas Körperliches vor oder hat es emotionale Gründe? Das einmal abzuklären kann auch sehr wichtig sein.

 

Sollte man gewisse Angebote machen?

Wir haben ja bereits erwähnt, dass man auf die Signale achten soll und wenn diese vorhanden sind, dann kann man auch schon mal ein Töpfchen kaufen, um das Kind langsam da heranzuführen, damit es einfach damit in Berührung kommt. Das kann man auf jeden Fall machen, aber dennoch darf man auch nicht vergessen, dass man keinen Druck ausüben soll! Man sollte die Neugier des Kindes unterstützen, vor allem, wenn es zum Beispiel ein nicht wesentlich älteres Geschwisterchen gibt. Dann beginnen die Kinder damit das Töpfchen zu erkunden und dann kann man vielleicht

auch damit beginne es spielerisch einzubinden, beispielsweise „Oh schau mal, der Hund muss kacka“.  Es sollte aber keinesfalls das Verständnis aufkommen, dass das Töpfchen jetzt da ist und ab sofort dann auch genutzt werden muss.

Was mir gerade noch einfällt: Gerade dieses routinierte, man geht immer nach dem Aufstehen, vor dem Schlafen gehen oder bevor es ins Auto geht auf Toilette, ist etwas schwierig. Man kann die Kinder vor einer Autofahrt zum Beispiel fragen, ob sie nochmal auf Toilette müssen aber eine gezwungene Routine sollte hier auf gar keinen Fall entstehen.

 

Vorsorglich auf Toilette gehen sollten weder Kinder noch Erwachsene! 


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