Beckenboden To Go – Folge 18: Der Zyklus und seine Auswirkungen auf das Beckenbodentraining

 

Was ist überhaupt der Zyklus?

Also der Zyklus oder auch Menstruationszyklus ist von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich lang und besteht aus 4 Phasen.

 

Die erste Phase ist die Menstruationsphase, das heißt die Blutung setzt ein und der Zyklus beginnt. An diesem Punkt ist unser Hormonlevel am geringsten.

 

Die zweite Phase ist die Folikelphase und da fangen die Eier im Eierstock an zu wachsen, in dieser Zeit beginnt auch der Anstieg des Östrogenspiegels. 

 

Die dritte Phase ist die Eisprungphase, hier ist das Hormonlevel am höchsten. Wenn das Ei gesprungen ist, dann ist man je nach Zyklus zwischen 24 und 48 Stunden fruchtbar. Nach dem Eisprung steigt unsere Körpertemperatur zwischen 0,3 und 0,5 Grad an, das ist dem Progesteron geschuldet, das Hormon welches nach dem Eisprung dominant ist. Warum die Temperatur ansteigt ist bislang noch nicht so genau erforscht, aber es ist ein Parameter womit man seinen Zyklus tracken kann. 

 

Die vierte Phase ist die Lutealphase, da wird das Progesteron produziert. Die Phase dauert 12 – 16 Tage und in dieser Zeit ist unsere Temperatur erhöht, bis die Blutung einsetzt. 

 

Hat dieser Zyklus Auswirkungen auf unsere Muskulatur und damit auch auf unsere Beckenbodenmuskulatur?

Ja. Es ist so, dass unser Körper ja nicht nur aus Muskulatur, sondern auch aus Bindegewebe besteht. Und Bindegewebe ist östrogenabhängig. Und in den Phasen in denen das Östrogen dominiert (in der Folikel und in der Eisprungphase) kann es

sein, dass der Beckenboden besser arbeitet. Und in den Phasen in denen das Progesteron dominiert (also in der Lutealphase und während der Menstruation) kann es sein, dass Inkontinenzprobleme oder Senkungssymptomatiken vermehrt auftreten. Und dann kann es eben sein, dass das Progesteron unsere Muskulatur entspannter macht, vor allem die glatte Muskulatur.

 

Macht es Sinn das Training an den Zyklus anzupassen?

Ja, das macht auf jeden Fall Sinn. Ich habe noch das Prinzip der Superkompensation gelernt. Die Superkompensation besagt, dass man nach einer Belastung auch eine Erholungsphase braucht, um die Energiereserven wieder aufzuladen und für die

nächste Belastung gewappnet zu sein. Und es ist so, dass wir in Phasen der Menstruation zum Beispiel einfach längere Erholungsphasen brauchen. Auch die ganzen Krafttrainingssachen kann man in der Folikel- und der Eisprungsphase besser machen, weil wir in der Zeit einfach leistungsfähiger sind. Es gibt auch ein paar Studien, die die Wechselwirkung zwischen der Menstruation bzw. dem Zyklus und der Leistungsfähigkeit belegt. Ich finde daher man kann bzw. muss auch sein Training an den Zyklus anpassen. Leider wird dies aktuell in meinen Augen noch zu wenig berücksichtigt.

 

Wie könnte das angepasste Training aussehen?

In der Menstruationsphase könnte man sich Sportarten wie Yin Yoga aussuchen und eher entspannte Einheiten absolvieren. Man ist in dieser Zeit einfach nicht so leistungsfähig und das gilt auch für den Beckenboden. In der Folikel- und der Eisprungphase kann man, dadurch, dass der Beckenboden in der Zeit eben stabiler ist, Krafttraining einbringen und hier auch mit Gewichten arbeiten und somit auch den Beckenboden stärken. In der Lutealphase ist das etwas abhängig davon, wie genau diese Phase bei der Frau ausgeprägt ist. Gerade wenn es zu irgendwelchen Hormondysbalance kommt und Frauen unter PMS leiden, sollte man auch in dieser Phase etwas vorsichtiger und gemächlicher trainieren und den Fokus eventuell eher auf die Kraftausdauer legen.

 

Hast du eine Idee warum das Thema im Sport noch nicht so angekommen ist?

Sport ist für den Männerkörper ausgelegt und deshalb ist es leider so, dass sich die Frauen eher versuchen den Männern anzupassen. Und da muss man einfach sagen, wir sind keine Männer, wir haben keinen 24 Stunden Hormonrythmus und deshalb können wir auch eben nicht trainieren wie Männer. Und ich glaube auch nicht mal, dass das ein Nachteil sein muss. Denn, wenn man seinen Trainingsplan an seinen Zyklus anpasst, kann das gesundheitliche sowie auch leistungstechnische Vorteile haben.

 

Hast du spontan noch etwas, was du unbedingt erwähnen möchtest?

Ja. Ich bin der Meinung, dass gerade, wenn es um den Sport geht, sollte da ein Umdenken stattfinden. Es ist alles an Männerkörper angepasst und wie bei allem, was sich ändern soll, sind die Menschen erstmal abgeneigt und skeptisch, aber wir leben im Jahr 2022 und es muss einfach berücksichtigt werden, dass Körper nicht nur männliche Körper sind. Dass es eben Unterschiede gibt und man sich da einfach anpassen muss.

 

Wie ist es denn, wenn ich die Pille nehme?

Die Pille unterdrückt den Zyklus, was bedeutet, dass man keinen Zyklus hat. Da ist es dann natürlich auch schwierig das Training anzupassen, weil man ja eben keinen Zyklus hat.

 

Dann könnte man ja stumpf gesagt einfach die Pille nehmen und ohne Ende trainieren, oder?

Jein. Hier wird sich dann natürlich wieder in die falsche Richtung angepasst. Und wie schon erwähnt, wird dabei dann die natürliche Funktion des Körpers unterdrückt, um sich anzupassen. Und auch andersherum: Menschen, die Testosteron nehmen, dopen sich. Menschen, die die Pille nehmen dann wiederum nicht. Wobei ja auch die Pille in dem Fall dann leistungssteigernd wirkt. Ich finde da muss ein Umdenken stattfinden.

 

Hast du für diejenigen, die ihren Zyklus noch als Schwäche ansehen, einen Tipp, warum es sinnvoll ist sich darauf einzulassen und auch in die Ruhephasen zu gehen?

Das Schöne an unserem Zyklus ist, dass er uns auch darauf hinweist, wenn wir zu wenig Entspannungsphasen einbauen. Das finde ich kann man wirklich als Vorteil sehen. Wenn man sich dann in den Phasen etwas ruhiger macht, wirkt sich das auch

leistungssteigernd auf die anderen Phasen aus. Das Progesteron ist eine Vorstufe bzw. wird zum Aufbau des Stresshormons Cortisol genutzt und wenn ich immer Highlevel bin klaue ich meinem Zyklus das Progesteron und begebe mich da in ein hormonelles Ungleichgewicht, was dann wiederum zu PMS Beschwerden führt.

 

Wenn ich anfangen möchte mich mit meinem Zyklus zu beschäftigen, wie fange ich da am besten an?

Das hört sich zwar kompliziert an, aber jeden Tag seine Temperatur zu messen ist eine gute Methode, um einen Überblick über den Zyklus zu bekommen. Einfach zu schauen, wann steigt meine Temperatur an, wann habe ich meinen Eisprung? Dazu

kann man sich dann auch weitere Symptome aufschreiben und damit bekommt man schon ein viel besseres Körpergefühl und auch ein besseres Gefühl für den Zyklus. Wichtig ist, dass die Temperatur vor dem Aufstehen gemessen wird. Einige Faktoren wie zum Beispiel Alkohol oder eine durchtanzte Nacht können die Temperatur beeinflussen, aber da das ganz individuell ist, braucht man da ein bisschen Gefühl für den eigenen Körper. Man kann zusätzlich noch den Cervix-Schleim beobachten, der sich auch von Phase zu Phase verändert.

 

Hast du noch Tipps für den Beckenboden, was man in der Lutealphase machen kann, um diesen zu unterstützen?

Man kann natürlich ernährungstechnisch ein bisschen unterstützen, indem man versucht Zucker und tierische Produkte zu reduzieren, weil das eben alles die Östrogenproduktion unterstützt und somit eher zu einem Ungleichgewicht beiträgt.

 

Vielen Dank Anna!


Neugierig geworden?

Kommentar schreiben

Kommentare: 0