Beckenboden To Go – Folge 26 Beckenboden und Sport

Könnt ihr euch einmal vorstellen?

Ich bin Anne-Louise Haas und bin Sport- und Physiotherapeutin und habe mich auf den Beckenboden und die ganzen Herausforderungen damit wie Rektusdiastase etc. spezialisiert. Zudem bin ich Mutter von 3 Kindern und habe die Probleme zum Teil selber an mir erfahren.

 

Ich bin Andrea Jeckel, ebenfalls Mutter von zwei kleinen Kindern, ich habe immer sehr viel Sport gemacht, war lange Fitness-Instruktorin und durch die Schwangerschaften und Geburten und durch meine eigenen Rückbildungskurse, die ich besucht habe,

habe ich gemerkt, wie wichtig das Thema Beckenboden ist, habe mich dahingehend dann weitergebildet und bin jetzt verantwortlich für die Beckenboden- und Rückbildungskurse.

 

Warum genau nennt ihr Euch EinzigartICH?

Uns ist es ganz wichtig, dass die Frauen eine Anlaufstelle haben und ihre Problematiken nicht einfach in Kauf nehmen. Und gerade weil wir wissen, dass Mütter häufig nicht viel Zeit haben, wollten wir einen Raum schaffen, indem alles

abgedeckt wird, von der Physiotherapie bis hin zum Beckenbodentraining und Ernährung, Zyklus und Hormone. Und weil eben jeder Mensch einzigartig und individuell ist haben wir einzigartig und Ich verbunden zu unserem Namen EinzigartICH.

 

Was sind eure Ziele?

Ich denke das wichtigste ist, dass wir wirklich jeden Menschen als Individuum anschauen. Bei uns gibt es keinen vorgefertigten Plan, wie wir jemanden behandeln und betreuen. Wir schauen da wirklich jedes Mal individuell, was die Person an Behandlung braucht. Wir streben eine ganzheitliche Betreuung an.

 

Was bedeutet eigentlich Low- oder High-Impact? Was ist da der Unterschied?

Man kann die Sportarten in zwei Kategorien unterteilen: die High-Impact und die Low-Impact Sportarten. Beim High-Impact ist alles angeschlossen, was mit Schlägen und Sprüngen zu tun hat und die Low-Impact Sportarten haben das nicht. Insofern sind die Low-Impact Sportarten besser für den Beckenboden. Der Beckenboden hat eine stützende Funktion und wird somit beim Low-Impact Sportarten nicht so sehr belastet. Es ist tatsächlich auch so, dass 6 von 10 Profisportlerinnen an Beckenboden Herausforderungen leiden. Man unterteilt im groben in zwei Kategorien: zu

wenig Spannung (hypotoner) oder ein verspannter (hypertoner) Beckenboden.

 

Zum hypertonen Beckenboden gibt es bereits eine Folge, die ihr hier nachhören könnt. 

 

Wie seid ihr darauf gekommen so detailliert die einzelnen Sportarten zu durchleuchten?

Das ist so ein bisschen mir (Andrea) geschuldet, weil die erste oder zweite Frage oftmals ist, wann Mensch wieder Sport machen kann oder eben, dass der Arzt sagt, man dürfe diesen oder jenen Sport nicht mehr machen. Und dann haben wir uns hingesetzt und uns mal ganz detailliert die verschiedenen Sportarten angeschaut. Wie ist die Belastung, was wird da überhaupt belastet, was muss z.B. bei einer Rektusdiastase beachtet werden? Und dann haben wir bemerkt, dass es so wenig Informationen zum Beckenboden und Sport gibt. Und das haben wir uns zum Anlass genommen das ganze mal intensiver zu betrachten.

 

Könnt ihr schon mal ein paar Sportarten verraten und wozu sie gehören?

Wenn wir uns jetzt bspw. das Schwimmen anschauen, dann ist es natürlich grundsätzlich eine Beckenboden schonende Sportart, weil man durch das Wasser keinen Druck auf dem Beckenboden hat. Jedoch entsteht durch das öffnen beim

Brustbeinschlag eine Dehnung im Beckenboden. Sollte nun also jemand eine sehr schwache Spannung im Beckenboden haben, so kann es sehr gut sein, dass diese Person das Schwimmen nicht als angenehm empfindet und sich Probleme auch eventuell verstärken könnten. Beim Reiten spielt die Beckenbodenmuskulatur eine sehr zentrale Rolle, weil man

stabil sitzen muss, aber dennoch durch das Becken auch das Pferd lenkt und die Bewegungen mitgehen sollte, sofern man es korrekt machen möchte. Und der Beckenboden ist dabei eigentlich die ganze Zeit unter Spannung und gerade wenn der Beckenboden noch sehr schwach ist, dann gibt es da eine Dauerkontraktion und dann gibt es oft Probleme, sobald man vom Pferd steigt, wo man beim Absteigen dann keine Spannung mehr halten kann. Was bei Beckenboden Problematiken ganz super ist, ist vor allem auch Nordic Walking oder Wandern, da muss nur geschaut werden, dass die Körperhaltung wirklich aufrecht ist und das Schuhwerk vernünftig ist. Beim Wandern muss eine reflektorische Anspannung des Beckenbodens da sein.

 

Magst du zu diesen Beispielen aus der Praxis noch etwas sagen: 

Ein unzufriedenes Gesicht, wenn ich einer Joggerin nach der Geburt sage, gehe mal Nordic Walken und dann bei Organsenkungen, das einige bei längeren Spaziergängen schon Schwierigkeiten bekommen.

Also bei Organsenkungen ist es das A und O, dass man den Frauen erklärt, was da passiert und dass es sich eben verschlimmern kann, wenn man zu früh anfängt zu joggen. Und man muss ja nicht spazieren, walken ist nicht spazieren. Man kann zum Beispiel so schnell wie es eben geht den Berg hochgehen. Man kann mit 6 km/h gehen, das ist noch kein Laufen, aber man hat dennoch was getan. Und sobald das wirklich gut und ohne Probleme geht, dann kann man intervallmäßig das Joggen langsam einbauen. Es handelt sich um ein Aufbautraining und das heißt ja auch nicht, dass

man nie mehr Joggen kann, man muss eben nur darauf hinarbeiten. Und bei den Organsenkungen finde ich es etwas schwieriger, weil dort nicht nur die Beckenboden Problematik vorhanden ist, bei der man sagen kann, trainiere deinen

Beckenboden, dann ist es weg. Da denke ich, dass es viel übers spüren geht. Die Frauen müssen spüren lernen, was sagt man Körper, wann kommt dieses Druck- oder Fremdkörpergefühl? Vielleicht ist es auch nicht immer von Anfang an da,

vielleicht kommt es erst nach 10 Minuten und dann sollte man eben nach 8 Minuten eine Pause machen, bis man wieder weiter machen kann. Oder schau, ob es zyklusabhängig ist. Ich versuche den Frauen immer zu erklären, dass es nach einer Geburt wie nach einer Verletzung ist, man startet langsam und spürt, was geht. Im Endeffekt bringt es ja dem Körper auch mehr langsam zu starten und sich heranzutasten. Bei High-Impact sind Stöße, Sprünge und Schläge die größten Auswirkungen auf den Beckenboden, aber da kann man ja auch variieren, dass man schaut, dass der

Beckenboden reflexiv arbeiten kann. Ich hatte zum Beispiel auch mal eine Fortbildung, bei der gesagt wurde, dass der Pferdeschwanz nicht hüpfen soll, bei einem gleichmäßigen Laufstil, der sich nicht so sehr auf den Beckenboden auswirkt. Wichtig ist, bei sämtlichen Bewegungen zu schauen, wie reagiert mein Körper und wie fühlt es sich an? Kann ich die Spannung halten?

 

Was definitiv keine guten Übungen sind, sind Crunches und Sit-ups, weil es für das Thema Rektusdiastase und durch oftmals falsche Atmung sich sehr auf den Beckenboden auswirkt und diesen so auch schwächen kann.

 

Was hältst du von Sportarten, bei denen gehüpft wird und man das Baby noch zusätzlich in einem Tuch vor dem Bauch hat?

Das ist aktuell sehr im Trend, aber ich denke man muss das ausprobieren. Nach der Geburt meiner Tochter hatte ich grundsätzlich Schwierigkeiten irgendwas zu halten und mit ihr im Tuch war das Ganze dann noch schlimmer. Ich denke, das muss man einfach spüren. Es gibt sicherlich Frauen, da geht das ganz gut mit dem Beckenboden, aber bei einigen eben auch nicht. Bewegung grundsätzlich ist gut, aber man muss eben auf sich hören.

 

Also sollte man in meinen Augen eher den Beckenboden schonen und schauen, was man ernährungstechnisch machen kann oder wie seht ihr das?

Ja unbedingt, es kommt ja auch noch dazu, dass der Fettstoffwechsel am Besten in einer gewissen Pulsfrequenz funktioniert und meistens ist der Puls beim Joggen nach einer längeren Pause sowieso viel zu hoch, da verbrennt man keine Kalorien und hat noch zusätzlich die Schläge auf den Beckenboden. Man sollte also schauen, dass ein Kaloriendefizit da ist, allerdings darf dieses auch nicht zu groß ausfallen. Gerade auch im Mama-Alltag wird finde ich der Schlaf auch oft vergessen, denn dieser beeinflusst unsere Hormone und somit auch unseren Stoffwechsel. Ich finde

da muss man auch immer vorsichtig sein, ich kann verstehen, dass man seinen Körper zurück haben möchte, aber man darf auch einfach nicht vergessen, dass man 9 Monate schwanger war und das auch einfach seine Zeit braucht, bis sich alles wieder zurückentwickelt hat. Unsere Erfahrung hat auch einfach gezeigt, je besser ich den Frauen erkläre, was

das eigentlich passiert und auch Gegenfrage stelle, desto besser können sie verstehen, warum einiges vielleicht noch nicht geht, hält es oder hält es nicht. Und oft merken die Frauen bei verschiedenen Übungen schon, dass einiges noch nicht geht. Wenn man beispielsweise noch nicht mal 3x hüpfen kann, braucht man an das Joggen noch nicht zu denken und am besten geht es darüber, es die Frauen auch wirklich spüren zu lassen, was kann ich und was kann mein Körper?

 

Ich finde auch die seelische Komponente wichtig. Was steht da seelisch hinter? Ist es die Zeit für dich alleine, ist es, dass du einfach mal rauskommen kannst? Oft ist es ja so, dass man durch das Eltern werden seine Identität ändert und da

sollte man sich auch die Zeit geben und zu gucken, was bin ich für ein Mensch. Es darf alles neu entdeckt werden. Wenn man immer Joggen war und das einfach nicht mehr funktioniert, kann man ja auch beispielsweise feststellen, dass auch Wandern etwas ganz Tolles ist. Vielleicht fasziniert einen plötzlich etwas ganz anderes? Vielleicht braucht man auch einfach mehr Ruhe, Meditation oder ein ruhiges Yoga zum Beispiel. Da rate ich jedem einfach mal was Neues auszuprobieren und dabei genau in sich hineinzufühlen. Und auch zu akzeptieren, dass der Körper eben nicht mehr wie vorher ist und das muss er auch nicht sein. Oftmals ist das der Kopf, der mit der Veränderung etwas Schwierigkeiten hat, deswegen ist es da ganz wichtig die Frauen auch entsprechend zu begleiten.

 

Was gibt es abschließend noch zu sagen?

Wichtig ist, dass da einfach ganz viel Aufklärungsarbeit stattfindet, dass man erklärt, was passieren kann, wenn man zu früh wieder startet und aber auch, dass ein Weg „zurück“ möglich, nur meist mit sehr viel Disziplin und Arbeit verbunden ist. Und auch den Körper einfach mehr zu akzeptieren und auch anzuerkennen, was der Körper da eigentlich geleistet hat. Und wenn man unsicher ist, sich die entsprechende Hilfe holt.

 

Und empfehlen würde ich jedem einen Beckenboden-Check Up zu machen und zu schauen, wo stehe ich, wo steht mein Beckenboden und was kann ich machen.

 

EinzigartICH erreichst unter: www.einzigartich.ch


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