Beckenboden To Go – Folge 34: Vaginismus

 

Was genau ist Vaginismus?

Vaginismus ist die unwillkürliche Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur. Also jedes Mal, wenn man versucht etwas in die Vagina gestaltet es sich aufgrund der Verkrampfung schwierig bis unmöglich.

 

Welche Symptome macht Vaginismus schon bevor das Einführen gar nicht geht? Gibt es Früherkennungszeichen?

Der Vaginismus ist sehr vielfältig von den Symptomen her. Bei mir war es eigentlich, dass es beim Einführen wie eine unsichtbare Wand. Aber es beschreiben auch Betroffene, dass sie eben bereits vorher schon ein Brennen oder einen Druckschmerz führen. Das kann auch in unterschiedlichen Situationen passieren. 

 

Das heißt, wenn ich jetzt davon ausgehe, dass ich das erste Mal meine Menstruation bekomme und Tampons verwenden möchte, dass ich dabei feststelle, dass ich das nicht schaffe? 

Genau. Also bei mir war es eben genau so, wie du es beschrieben hast. Mir war es nicht möglich einen Tampon einzuführen, weil die Beckenbodenmuskulatur zu verspannt war. Es gibt aber auch Vaginismusbetroffene, bei denen das Einführen das Tampons funktioniert. 

 

Kann es auch sein, dass ich in meinen jungen Jahren damit keine Probleme habe, aber es plötzlich im Alter auftritt?

Absolut. Es gibt den primären und den sekundären Vaginismus. Von primär spricht man, wenn man den Vaginismus von Anfang an hat. Meistens hat man die Symptome schon in der Pubertät, beim Sex mit Penetration, beim Gynäkologen oder beim Einführen von Tampons. Beim sekundären Vaginismus hat vorher alles funktioniert und da treten die Probleme beispielsweise beim Sex oder Gynäkologen ganz plötzlich auf. 

 

Wodurch entsteht Vaginismus? Was sind möglich Ursachen?

Also mögliche Ursachen sind verschiedene Ängste, wie zum Beispiel die Angst vor einer Schwangerschaft. Dann kann es auch in der Erziehung liegen, dass man zum Beispiel nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Da gibt es auch ganz viele Mythen, wie zum Beispiel, dass das erste Mal scherzhaft ist und man ganz doll blutet. Das sind alles Gründe, die Ängste oder Glaubenssätze hervorrufen können, bei denen man denkt, dass Sex etwas Schmerzhaftes ist. Und dann gibt es auch noch Gründe die eher physisch sind, wie Verletzungen oder Operationen im Intimbereich. Der sekundäre Vaginismus tritt auch öfter mal nach der Geburt auf. Aber auch sexueller Missbrauch kann ein Grund für Vaginismus sein. Die Bandbreite ist da sehr weit und oft sind es auch mehrere Faktoren, die da zusammenkommen,

 

Ich möchte gern nochmal auf den Mythos eingehen, dass der erste penetrative Sex schmerzhaft ist. Ist das wirklich so?

Es wird immer wieder davon gesprochen, dass das Hymen beim ersten Sex durchrissen wird. Und dieser Mythos wird auch immer weitergetragen und ich bin auch der Meinung, dass das definitiv dazu beiträgt, dass man Schmerzen empfindet, weil sich dadurch einfach eine Angst entwickeln kann. Weil wenn man sich schon vorher vorstellt, dass es schmerzhaft ist, wie soll man da dann entspannt sein? Ich glaube auch viele Frauen wollen das erste Mal „einfach hinter sich bringen“ und können das dadurch gar nicht richtig genießen. 

 

Um mit den Mythen also direkt mal aufzuräumen: Der erste Sex muss nicht schmerzhaft sein und es gibt auch kein Jungfernhäutchen, welches den Vaginaeingang verschließt und erstmal durchstochen werden muss. 

 

Wenn ich nun glaube, dass ich betroffen von Vaginismus bin, wo gibt es Stellen, die mir helfen können und auch die entsprechende Diagnose stellen?

Wenn man den Verdacht hat oder sich das bereits selbst diagnostiziert hat anhand von ähnlichen Erfahrungen. In Deutschland gibt es meines Wissens nach 4 Selbsthilfegruppen zu diesem Thema und ich denke es ist sehr gut sich mit Betroffenen auszutauschen.

 

Leider höre ich oft noch, dass das Thema in den Arztpraxen nicht so wahrgenommen wird. Wie kann ich da gut für mich sorgen?

Ich höre es leider auch immer wieder von Betroffenen, weil einfach auch noch nicht so viel Kenntnisse vorherrschen und daher dann auch nicht so gute Tipps gegeben werden. Da wäre es einfach gut, dass wenn jemand sich nicht so auskennt, dass man dann an einen Arzt verweist, der sich in dieser Thematik besser auskennt. 

 

Wenn ich nun diese Diagnose habe und gut damit umgehen möchte, was kann ich mir Gutes tun und was war dein Weg? Wie hast du deinen Weg gefunden? Und wie kommt das Ex vor das Vaginismus-Betroffene?

Ich hatte 15 Jahre lang primären Vaginismus. Meine ersten Symptome traten mit 14/15 Jahren auf bei den ersten gynäkologischen Untersuchungen und bei den ersten Beziehungen. Bei den Tampons habe ich dann auf Binden zurückgegriffen und bei den Beziehungen dachte ich, dass es einfach nicht der richtige ist und es sich schon legen wird. Aber von Mal zu Mal hatte sich das Problem manifestiert und im Alter von 20 Jahren hatte ich meine erste längere Beziehung und als auch nach einem Jahr der penetrative Sex noch nicht funktioniert hat, habe ich das erste Mal beim Gynäkologen nachgefragt, was ich tun kann. Dann kam’s erstmal zur Psychotherapie, da hatte ich aber leider keine Erfolge und es wurde auch nicht als Vaginismus bezeichnet und dann habe ich zu einer Sexualtherapie gewechselt und mein Therapeut hat direkt gesagt, dass wir eventuell nicht die Ursache finden, aber es definitiv lösen können. Das war für mich sehr Mut machend und Hoffnung gebend. Die Therapie bestand aus Gesprächen aber auch aus physischer Therapie, also es gab auch ein Beckenbodentraining. Und die Kombination der beiden Faktoren ist einfach sehr hilfreich und bei mir hätte nur das eine nicht ausgereicht. Und mit dieser Kombi konnte ich mein Problem nach 8 Jahren lösen. 

 

Du hast dich dann sehr intensiv selber mit dem Beckenboden beschäftigt und hast dann ja auch eine Vision bekommen, dass du das Thema vertiefen möchtest und bist dann ja auch Beckenbodentrainerin und Yoga-Lehrerin geworden. Würdest du sagen, das hat dir auf dem Weg geholfen?

Es lagen doch noch viele Jahre dazwischen. Seit ich Beckenbodenleiterin bin sehe ich das auch alles etwas anders. Und ich würde jeder Vaginismus-Betroffenen raten sich an eine Beckenbodenspezialistin zu wenden, damit man es von Anfang an richtig macht und sich helfen lassen kann. Sonst ist das Thema einfach sehr schwer zu lösen. Mein Therapeut hat mir damals das Beckenbodentraining – rückblickend auch leider etwas unzureichend – erklärt und ich habe es dann zu Hause versucht. Ich habe es nach bestem Wissen und Gewissen gemacht aber würde es derzeit nicht wieder so machen. Für mich war es immer wichtig, dass wenn ich etwas weitergebe, dann möchte ich es auch professionell machen. Daher war es mir auch so wichtig diesen Kurs zur Beckenbodentrainerin zu machen. Auch zu erfahren, wie alles im Körper zusammenhängt war für mich sehr spannend und auch hilfreich. 

 

Vaginismus bedeutet ja, dass meine Muskulatur auch verkrampft. Warum soll ich die denn jetzt noch trainieren? 

Das ist auch ein so wichtiges Thema, weil man leider immer wieder hört, dass Vaginismus-Betroffene kein Beckenbodentraining machen sollen und das ist auch leider ein Mythos der sich hartnäckig hält. Man denkt sich der Beckenboden ist verkrampft, was soll ich denn da noch trainieren? Aber beim Beckenbodentraining ist eben auch die Entspannung der Muskulatur eine wichtige Komponente. Somit erlernt man dort auch die Entspannung. Viele Vaginismus-Betroffene wissen auch gar nicht, wie sie ihren Beckenboden spüren und auch das ist sehr wichtig dies erstmal zu erlernen. Auch anatomisch fehlt es hier leider auch zum Teil noch an Aufklärung.

 

Also würdest du auch sagen, dass sich die Menschen mal mit dem Spiegel hinsetzen sollen und Vulva-watching betreiben sollen? 

Ich wurde etwas belächelt, als ich an so einem Kurs teilgenommen habe, aber ich bin der Meinung, dass es enorm weiterhilft, wenn man sich einfach mal mit sich und seinem Körper auseinandersetzt. Es hilft auch dabei alles mehr zu verstehen. 

 

Auch wenn das Beckenbodentraining damals rückblickend nicht so gut war, wie es hätte sein können, hat es für dich aber dennoch gefruchtet oder?

Ja, denn ich habe gelernt, wie ich mit meiner Atmung die Spannung in meiner Beckenbodenmuskulatur verändern kann und konnte so leichter die Diletatoren einführen oder die Instrumente der Gynäkologie einführen. Es muss nicht zwingend „die richtige“ Art und Weise der Atmung sein, solange es funktioniert.

 

Wie kamst du auf die Idee dir die gynäkologischen Instrumente selbst einzuführen?

Also in meinem Fall war es tatsächlich Glück, dass meine Ärztin gefragt hat, ob ich das selber machen möchte. Zu dem Zeitpunkt war ich bei meinem Training schon recht weit fortgeschritten, also habe ich mir das auch zugetraut. Für mich selber gibt’s eigentlich gar keine andere Möglichkeit mehr als das selber zu machen aber ich kenne auch ganz viele, die sich das überhaupt nicht vorstellen können. Aber wichtig ist auch erstmal zu wissen, dass man es durchaus machen darf, also kann man da gern nachfragen und es gibt auch keinen plausiblen Grund das abzulehnen. 

 

Würdest du sagen, dass das Wissen um deinen Beckenboden dich bei dem Thema Mut und Selbstwirksamkeit vorangebracht hat?

Ich frage mich immer wieder woher ich damals meinen Mut genommen habe und immer weiter gemacht habe, aber ich denke, dass Yoga und Beckenbodentraining sehr viel bei der eigenen Wahrnehmung geholfen hat und auch dabei mich selber zu akzeptieren und meine Bedürfnisse wahr zu nehmen. Es ist alles in Ordnung mit einem, auch wenn man unter Vaginismus leidet. Auch mit Betroffenen zu sprechen und vor allem offen darüber zu sprechen, macht auch sehr viel Mut.

 

Du hast nach deinen Ausbildungen entschieden dich selbständig zu machen. Und hast dir einen wunderschönen Namen ausgedacht, magst du den einmal verraten?

Der Name meines Business ist Im Gefühl. Ich hatte da Unterstützung von einer lieben Freundin. Mir war es wichtig, dass es ein Oberbegriff des Yoga und des Beckenboden ist, aber trotzdem ein Gefühl auslöst. Im Gefühl soll also vermitteln, dass alle Teilnehmerinnen die zu meinen Kursen kommen in das Spüren und in die Verbindung mit dem eigenen Körper und denken „Ich schaffe es mit mir ins Gefühl zu kommen“.

 

Es geht in dem Kurs also nicht um höher, schneller, weiter sondern darum durch das Yoga in die Verbindung mit deinem Körper zu kommen.


Neugierig geworden?

Kommentar schreiben

Kommentare: 0