Beckenboden To Go – Folge 50: Das Nervensystem

 

Ich weiß nicht, wie vertraut du mit den Nerven bist, aber ohne diese würde bei uns im Körper nichts funktionieren. 

 

Ein Beispiel: Wenn du aufstehen möchtest, sorgen die Nerven für die Muskelansteuerung, um diese Bewegung auszuführen. Und auch andersherum: Wenn du mit deinem Körper etwas berührst, dann wird dieser Reiz ins Gehirn weitergetragen und dort verarbeitet, wie beispielsweise „Ah, ja. Das ist meine Kaffeetasse, die ich da berühre.“ Auch alle anderen Sinne wie das Hören, Schmecken und Sehen funktionieren auf diese Weise. 

 

Die Verknüpfungen von Geräuschen, Gerüchen und Geschmäckern basieren häufig auf unseren eigenen Erfahrungswerten und sind daher auch sehr individuell. 

 

Ich möchte kurz auf das Gehirn eingehen. Das Gehirn wird grob in drei Teile untergliedert. Das eine ist das Stammhirn oder auch Reptilienhirn genannt, dort sitzt dein Instinkt. Dein Instinkt entscheidet zwischen Gefahr oder keine Gefahr. Ein weiterer Bestandteil ist das limbische System, hier verbergen sich die Bedürfnisse, Wünsche sowie Bindungen und Emotionen. Der dritte Teil ist die Großhirnrinde, wo das Denken und Bewerten stattfindet, hier sitzen also der Verstand und die Logik.

 

Wenn man diese Gehirnbereiche dem Körper etwas zuordnen möchte, dann macht das total Sinn, dass das Großhirn im Kopf sitzt, die Emotionen also das limbische System im Brust- und Bauchraum und die Instinkte finden sich viel im Becken wieder. Hierzu gibt es keine evidenzbasierte Studie, aber wenn du dieses Bild für dich verwenden kannst, freut mich das sehr!

 

Ähnliche Betrachtungen findet man auch bei der Chakren-Lehre. Am Damm sitzt das Wurzel-Chakra, dieses erste Chakra, das für Verwurzelung, Vererdung, Stabilität und Sicherheit steht. Was für mich total zu den Instinkten, als dem Stammhirn passt. Je weiter wir im Körper hochwandern, finden wir das Kronen-Chakra, also die Erleuchtung, die Weisheit, was wieder passend zur Ratio der Großhirnrinde ist. Für mich stellt der Chakren-Aufbau auch gut dar, dass die Basis bzw. die Wurzel am Becken liegt und alle weiteren darauf aufbauen. Wie zum Beispiel auch: Es gab zuerst das Reptilienhirn, die Instinkte und dann kamen erst die Bindungen, Ängste, also das limbische System und dann das Denken und Bewerten, sprich die Großhirnrinde. Auch die Bedürfnispyramide nach Maslow hat einen ähnlichen Aufbau.

 

Jetzt möchte ich näher auf die Instinkte eingehen: Also auf den Parasympathikus und Sympathikus. Das sind die Nerven aus dem autonomen Nervensystem, autonom bedeutet, dass es ohne den Verstand arbeitet, also über diesen auch nicht steuerbar ist. Unser System ist immer um Ausgleich, also um Anspannung und Entspannung bestrebt. Und genau dafür sorgen Parasympathikus und Sympathikus. Es gibt die grobe Einteilung, dass der Sympathikus der aktivierende Teil ist und der Parasympathikus der hemmende Teil. Es gibt oftmals pauschale Aussagen, dass man beispielsweise nicht so sehr im Sympathikus unterwegs sein soll, weil dieser ja so aktivierend ist, dies unterstütze ich jedoch nicht. Und ich verrate dir auch warum: Der Sympathikus sorgt unter anderem für unsere Kontinenz, unterstützt unser Sexualleben und trägt dazu bei, zur Beckenbodengymnastik zu gehen. Was ich damit sagen möchte ist, dass wir beide brauchen und dass das eine nicht schlechter als das andere ist. Was wichtig ist, ist die Harmonie, wir wollen eine Balance zwischen Aktivierung und Entspannung. 

 

Ich mag das Bild von sanften, seichten Wellen ganz gern. Wenn das Nervensystem gut arbeitet, dann hält es auch mal größere Wellen für eine gewisse Zeit aus oder aber auch kleine bis gar keine. Und da ist der Parasympathikus etwas in Verruf gekommen, denn viele Menschen halten die ruhige See gar nicht mehr aus, sondern sind konstant unter hohem Wellengang. Und irgendwann gewöhnt sich das System natürlich daran. Unser Körper schüttet beim hohen Wellengang die sogenannten Stresshormone wie beispielsweise Noradrenalin und Cortisol aus. Und das fühlt sich für einen kurzen Moment vielleicht mal ganz gut an. Es gibt ja auch Menschen, die unter anderem bei Aktivitäten wie Fallschirmspringen genau nach diesem Kick suchen. Und dieses beflügelnde Gefühl kann auch süchtig machen. Und da liegt meistens auch das Problem, denn wer immer ganz oben auf der Welle reitet, dem fällt es sehr schwer abzuschalten. Du kennst das ja vielleicht auch, wenn der Hormoncocktail dann mal wegfällt, dass man zum Beispiel auch häufig krank wird, sobald der Stress abfällt. Was wir uns also wünschen ist ein ausgeglichenes System, welches seichte Wellen, ruhige See und hohen Wellengang gleichermaßen verarbeiten kann.

 

Das Toleranz-Fenster unseres Nervensystem:

Die Polyvagal Theorie bezieht sich auf die Stammhirn Ebene, also Parasympathikus und Sympathikus bzw. Flucht oder Kampf. Es gibt noch einen weiteren Zustand: Freeze. Also das einfrieren und erstarren. 

Am Beispiel einer Mücke in deinem Schlafzimmer deine 3 Instinkte:

Flight = Ich schlafe im Wohnzimmer, dann stört sie mich nicht:

Freeze = Ich stelle mich tot, vielleicht bemerkt sie mich nicht

Fight = Ich kämpfe und erledige die Mücke

 

Wichtig ist, dass wenn diese Mechanismen ablaufen, denken wir darüber gar nicht mehr nach. Du bleibst im Window of Tolerance und somit Handlungsfähigkeit. Du hast also nicht die Möglichkeit, über dein Handeln nachzudenken, das läuft automatisch ab. Das ist wichtig zu wissen, weil viele Menschen die Logik nutzen wollen, um Dinge zu verstehen, die aber auf einer ganz anderen Ebene abgelaufen sind. 

 

Also die Polyvergal Theorie von Steven Porges hat das eingeteilt in einen dorsalen und ventralen Anteil vom Parasympathikus, das heißt der eine Teil sorgt für Entspannungen, gute Beziehungen, soziale Kontakte, du liest ein Buch oder sitzt vor dem Kamin, du kannst also sehr gut in einer parasympathischen Entspannung sein, die nicht zu verwechseln ist mit: ich sitze ruhig in meinem Sitz aber bin im Freeze Moment. 

 

Wenn wir unter Daueranspannung stehen, dann betrifft das auch die Beckenbodenmuskulatur. Eine zu angespannte Beckenbodenmuskulatur kann zu vielen Thematiken führen. Welche genau erkläre ich dir in der Podcast Folge 2: Hypertone Beckenbodenmuskulatur. Die kannst du hier nachhören.

 

Wichtig zu wissen: Wir kommen aus einer Freeze-Situation nicht raus, in dem wir uns vornehmen uns zu entspannen. Wenn du also ein Erlebnis hattest, wo nichts mehr ging, dann kommst du da nicht mit einem Wellness-Tag raus. Aus dem Freeze kommst du raus über die Sympathikus-Energie, also über Bewegung und aus dem Sympathikus kommst du dann in die Entspannung des Parasympathikus. 

 

Wie anfangs schon gesagt, wir sind alle individuell und wir sind alle so, wie wir sind richtig. Auch wenn Menschen vielleicht zu viel Bewegung brauchen, dann lohnt es sich manchmal dahin zu schauen, woran es eigentlich liegt, wovor man quasi wegläuft und wenn man aktuell nicht die Zeit hat daran zu arbeiten, dann ist das natürlich auch in Ordnung, dann geht man es zu späterer Zeit ein. 


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